"Der Maschinenmensch" - Eines von 6-8 erhaltenen Exemplaren des Druckes "X"
(La Mettrie, Julien Offray de).
L'homme machine.
Leiden, Elie Luzac fils, 1748
Bestellnummer
P083
Autor und Titel
(La Mettrie, Julien Offray de). L'homme machine.
Druckdaten
Leiden, Elie Luzac fils, 1748
Kollation / Illustration
[20], 109, [1] S. Mit 3 breiten typographischen Bordüren als Kopfstücke.
Format
Kl.-8°. 13,4 x 8 x 1,1 cm.
Einband
Hellgrün-braun lavierter Pappband der Zeit mit einst goldgeprägter Rahmenfilete, roter Sprenkelschnitt (etwas stärker abgerieben, bestoßen und mit Gebruachsspuren, Gelenke schwach (teils offen)).
Beschreibung

Zweite Ausgabe eines der größten, daher anonym erschienenen Skandalbücher der Aufklärung: "Der Maschinenmensch – L’homme machine" des aus Saint-Malo stammenden Arztes, Schriftstellers, Arztes und Radikalaufklärers Julien Offray de La Mettrie (1709-1751), das der Autor nicht in Paris, sondern in Leiden veröffentlichte, wohin er wegen der Zensur seines Vaterlandes geflohen war. Die Erstausgabe jedoch erzeugte einen dermaßen großen Skandal auch im deutlich liberaleren Holland, dass La Mettrie wiederum fliehen musste und die vorliegende zweite, ohnehin schon kleine Auflage weitgehend vernichtet wurde.

Der Titel "L’homme machine" wurde auf seinen Autor als Spitzname übertragen, der "Maschinenmensch La Mettrie" ging als enfant terrible an den preußischen Hof Friedrichs des Großen, wo er sich jedoch auch der Kritik Voltaires und Diderots aussetzen musste mit seiner kompromisslosen Philosophie, die den Menschen als Maschine, als konstruiertes Zusammenspiel von Nerven, Muskeln und Körpersäften darstellte. Damit wirkt La Mettrie heutzutage geradezu prophetisch: Mit der fortschreitenden Wissenschaft des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts wurde die Bahn bereitet, im 21. Jahrhundert nahezu alle menschlichen Eigenschaften zu synthetisieren, bis hin zum Geist, Gefühl und Verstand, die immer mehr als bloßes Zusammenspiel von neuronalen Impulsen beschrieben wird – und somit den Menschen durch Robotik und Künstliche Intelligenz nicht nur erklärbar, sondern sogar substituierbar erscheinen lässt. La Mettries "L’homme machine" ist damit aktuell wie noch nie


"Aussagen über den Menschen und seinen Platz in der Gesellschaft sind nach La Mettrie nur noch aufgrund empirischer Erkenntnisse möglich, die, materialistisch gedeutet, eine Einheit von Geist und Materie postulieren. La Mettries Entdeckung der Abhängigkeit der geistigen Kräfte des Menschen von seinem körperlichen Zustand, die er als französischer Feldarzt während der Belagerung Fribourgs machte, findet sich bei verschiedenen Autoren der europäischen Geistesgeschichte seiner Zeit […]. Befreit von sich als unnütz erweisenden Vorsichtsmaßnahmen, änderte sich La Mettries Ton und Diktion in Homme-machine, seiner Hauptschrift. die ihm einen Skandalerfolg einbrachte und ihn zur Flucht nach Potsdam zwang, wo ihm der Philosophenfreund Friedrich II. Schutz gewahrte. Polemisch, auf allgemeine Wirkung aus, attackiert La Mettrie in seiner ironisch A. v. Haller gewidmeten Kampfschrift seine Gegner, die Spiritualisten. Rastlos reiht er Beispiele aneinander und führt forciert seine zur Einheit von Körper und Geist führende Argumentation vor. Massiv greift er die ihr gesellschaftliches Machtinteresse verteidigende Kirche an, die mit der Verkündigung der christlichen Lehre den postulierten Dualismus von Geist und Seele zu versöhnen sucht […]." La Mettrie gebührt der "Verdienst, Ideen und Erfahrungen stringent in einen neuen Zusammenhang gebracht zu haben und so zu teilweise heute noch relevanten Problemstellungen gelangt zu sein. Sein bissig-ungestümer Vortragsstil machte es seinen Gegnern einfach, ihn als Querulanten in der ›Gilde des philosophes‹ abzuwerten. Gewichtiger für die Ablehnung seiner Position dürfte La Mettries Aussage gewesen sein: ›Der Mensch ist von Natur weder gut noch böse, er ist.‹ Damit distanzierte sich der Denker von einem den Aufklärern lieb gewordenen Vorurteil von der natürlichen Güte des Menschen. " (KNLL).


Zweite Auflage, sogenannter "Druck X" der Erstausgabe (die als "Druck W" geführt wird, vgl. Stoddard 31, 34). "Der Maschinenmensch" mit dem Titelblatt der Erstausgabe und 109 S. sowie letzter Seite weiß, was einer Variante der Erstausgabe aus demselben Jahr 1748 entspricht bzw. einem zweiten Druck der ersten Ausgabe mit den folgenden Merkmalen: Titelblatt mit 6-zeiligem Zitat von Voltaire in Kursiva (später 7-zeilig), Doppelstrich zwischen den Versen und dem Impressum. Damit entspricht unser Exemplar dem Druck des Exemplars der ETH-Bibliothek Zürich Signatur Rar 1307. 

Diese vorliegende, überaus seltene zweite Ausgabe von La Mettries L'Homme Machine wurde auf Anordnung des Consistoire von Leyden im Dezember 1747 vernichtet, wobei fast keine Exemplare erhalten geblieben sind. Der Bibliograph Avenir Tchemerzine (Bibliographie d’éditions originales, Vol. VI, S. 465) gibt an, nur 6 bis 8 Exemplare dieser Ausgabe hätten überhaupt überlebt (allerdings datiert er "1747", was dem Druckdatum entspricht, aber sich auf keinem Titel findet). Tchemerzine führt dann eine 148-seitige Ausgabe als die nächste Ausgabe nach dieser seltenen ersten Ausgabe auf, die sich jedoch als spätere Fälschung herausgestellt hat und manchmal als "Y"-Ausgabe bezeichnet wird. 


Der Bibliograph Roger Stoddard (1935-1925) versuchte in seiner Bibliographie über La Mettrie die Erscheinungsweise zu klären, nachdem die ebenfalls seltene 108-seitige Ausgabe (Stoddard 30) als die echte Erstausgabe figuriert, während er zwischen zwei 109-seitigen Versionen (Stoddard 31 und 32) unterscheidet, von denen die vorliegende die erste ist, die ein 6-zeiliges Zitat von Voltaire auf dem Titelblatt hat, während die zweite ein 7-zeiliges Zitat zeigt.

Die Titelblätter geben gleichermaßen in römischen Zahlen das Datum 1748 ("MDCCXLVIII"), tatsächlich jedoch datiert die vorliegende zweite Auflage wohl spätestens in das Jahr 1752 (ggf. deutlich früher), während der dritte Druck wohl Jahr 1764 veröffentlicht wurde.

Bibliographische Angaben
Stoddard 31, vgl. Stoddard 34 etc. Tchemerzine VI, 465 Vgl. KNLL IX, 973f.
Zustand
Papierbedingt durchgängig und gleichmäßig leicht gebräunt, aber nur wenige vereinzelte Braunfleckchen, Vorsatz mit zeitgenössischem handschriftlichen Eintrag, am Ende weitere acht Blätter weißes Vorsatzpapier eingebunden. Vollständiges Exemplar eines der seltensten auf uns gekommenen Drucke dieser bedeutenden, zukunftsweisenden Schrift. Lediglich zwei Blätter der Lage C wurden falsch eingebunden. Lagenformel: Dez-Duodezformat *10 A12 B12 C1-4 C7-8 C5-6 C9-12 D12 E1-7 (ohne das meist fehlende leere Blatt E8)..
Gewicht:
1,2 kg
Preis
5.400,00 € *